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KLIMA/547: Warme Winter - Finnland an der Klimawandelfront (SB)


Globaler Klimawandel - Beispiel Finnland

Überdurchschnittlicher Temperaturanstieg in den finnischen Wintermonaten



Der Klimawandel findet weder in ferner Zukunft noch in weit von Deutschland entfernten Ländern statt. Zu den Regionen, in denen gegenwärtig die globale Erwärmung am schnellsten voranschreitet, gehört das EU-Mitglied Finnland. Dort ist die Durchschnittstemperatur in den letzten 166 Jahren um mehr als zwei Grad Celsius gestiegen, wobei sich der Trend in den letzten 40 Jahren noch einmal stark beschleunigt hat, nämlich von zuvor 0,14 Grad - bereits das entspricht dem Doppelten der globalen Erwärmung - auf nunmehr 0,20 Grad Celsius pro Dekade. Das berichteten das Finnische Meteorologische Institut und die Universität von Ostfinnland in einer gemeinsamen Pressemitteilung vom 22. Dezember 2014. [1]

Angaben zu Durchschnittswerten der Temperatur können für eine allererste Verständigung über Klimatrends nützlich sein, für ein tieferes Verständnis dagegen nicht, denn es handelt sich um Summen, in die Extremwerte einfließen, die gegeneinander verrechnet werden und dann in ihrem Ausmaß gar nicht mehr erkennbar sind. So verzeichnet Finnland den größten Temperaturanstieg in den Monaten November, Dezember und Januar; auch März, April und Mai weisen überdurchschnittlich hohe Temperaturen aus. Wohingegen in den Sommermonaten kein signifikanter Temperaturanstieg verzeichnet wurde, wie Professor Ari Laaksonen von der Universität von Ostfinnland und dem Finnischen Meteorologischen Institut erklärte.

Demnach findet der Temperaturanstieg Finnlands vor allem im Winter statt, was unter anderem zur Folge hat, daß die Seen später zufrieren und früher tauen. Zudem setzt die Baumblüte früher ein. Solche Veränderungen wirken nicht besonders spektakulär, im Unterschied beispielsweise zu klimabedingten Naturkatastrophen wie Erdrutschen in den Anden, Überschwemmungen in den Philippinen oder Dürren in Afrika. Das bedeutet aber nicht, daß hinter der Klimaentwicklung in Finnland nicht die gleichen gewaltigen Kräfte am Wirken sind wie hinter den Entwicklungen, die bereits heute im Zusammenspiel mit der menschlichen Sphäre (Siedlungen, landwirtschaftliche Flächen, Verkehrsinfrastruktur, etc.) katastrophale Folgen zeitigen.

Der Klimatrend Finnlands ist eingebettet in einen Wärmetrend, der auch in anderen Gebieten nördlich des Polarkreises registriert wird. Die NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) der USA hat die verschiedenen Klimaentwicklungen der Arktis in ihrem Anfang Dezember veröffentlichten "Arctic Report Card" (Update 2014) zusammengefaßt. [2] Beispielsweise wurden im US-Bundesstaat Alaska Temperaturanomalien von +10 Grad Celsius im Januar verzeichnet, wohingegen im Osten der USA und in Rußland Anomalien von -5 Grad auftraten. Zwischen 1979 und 2014 hat die Schneebedeckung der arktischen Landfläche (-7,3 Prozent und -19,8 Prozent pro Dekade) sowie das sommerliche Meereis (-13,3 Prozent pro Dekade) abgenommen, was laut NOAA bereits eine deutliche Erhöhung der Algenbildung zur Folge hat.

Ein bedeutendes Indiz für den tiefgreifenden Wandel, den die Arktis derzeit erfährt, besteht in der Zunahme der Temperatur der obersten Wasserschicht im Arktischen Ozean, vor allem in der Tschuktschensee, die sich pro Jahrzehnt um 0,5 Grad Celsius erwärmt. Nach Angaben der US-Behörden wurden dort sowie in der Barentssee und der Beringstraße im Sommer 2014 vier Grad höhere Temperaturen als im Durchschnitt der Jahre 1984 bis 2010 registriert.

Auch die Fließgeschwindigkeit mancher Gletscher von Grönland, das verstärkte Auftauen der Eisoberfläche im Sommer und die Abnahme der Albedo (Rückstrahlung) des grönländischen Eispanzers passen zum Gesamttrend.

Noch ungenügend erforscht, aber unter zunehmender Beobachtung von besorgten Wissenschaftlern, entweicht aus dem teilweise vom Meer bedeckten arktischen Permafrostboden immer mehr Methan. Das entfaltet eine rund 20mal so starke Klimawirkung wie Kohlenstoffdioxid (CO2), und auch wenn Methan mit zehn bis 15 Jahren eine relativ kurze Lebensdauer hat, zerfällt es am Ende in das stabilere CO2, verstärkt also weiterhin die globale Erwärmung. Methaneis im Permafrostboden wird einerseits von unten durch den ständigen Wärmefluß aus dem Innern der Erde angetaut, ein Prozeß, der nur sehr langsam vonstatten geht. Sollten sich aber die arktischen Randmeere, die methaneishaltigen Meeresboden bedecken, weiter erwärmen, könnten große Mengen Methan freigesetzt werden.

"Wenn die Meerestemperatur um zwei Grad steigt, wie in einigen Studien berechnet, wird das Auftauen extrem beschleunigt. Ein warmes Klima könnte zu einer explosiven Gasfreisetzung aus den flachen [Meeres-] Gebieten führen", sagt Alexey Portnov vom Centre for Arctic Gas Hydrate, Climate and Environment (CAGE) der Arktischen Universität von Norwegen, der vor kurzem eine Studie zum Thema Gashydrate auf der sibirischen Yamal-Halbinsel veröffentlicht hat. [3]

Der Wärmetrend in Finnland wirkt regional gesehen noch nicht spektakulär, erweist sich aber im Kontext der Gesamtentwicklung nördlich des Polarkreises als Anzeichen einer Bedrohung globalen Ausmaßes. Eine plötzliche Methanfreisetzung aus dem sibirischen Permafrostboden würde schlagartig zu einem allgemeinen Temperaturanstieg beitragen, der wiederum Auftauvorgänge auf dem ganzen Erdball beschleunigen würde. Davon bliebe auch der bereits Anzeichen einer beginnenden Zersetzung zeigende Eispanzer Grönlands nicht verschont. Auch wenn Wissenschaftler nicht davon ausgehen, daß dieser in den nächsten 500 bis 1000 Jahren verschwindet - in dem Fall würde der Meeresspiegel weltweit um sechs bis sieben Meter steigen -, brächte bereits das Schmelzen auch nur eines Sechstels der grönländischen Eismasse viele am und im Meer gelegene Staaten in schwere Bedrängnis.


Fußnoten:

[1] http://en.ilmatieteenlaitos.fi/press-release/40085902

[2] http://www.arctic.noaa.gov/reportcard/exec_summary.html

[3] http://www.spacedaily.com/reports/Methane_is_leaking_from_permafrost_offshore_Siberia_999.html

28. Dezember 2014