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KLIMA/572: Philippinen - Kooperation von Bauern verringert Taifun-Schäden (SB)


Nach Durchzug des Taifuns Kappo stehen viele Bäuerinnen und Bauern vor dem Ruin

MASIPAG, das philippinische Netzwerk von Bauern und Wissenschaftlern, kommt mit Naturkatastrophen besser zurecht als Bauern, die auf sich gestellt sind


Mitte Oktober raste der Typhoon Kappo über die philippinische Hauptinsel Luzon hinweg und hinterließ eine Spur der Verwüstung. Häuser wurden umgerissen, Stromleitungen gekappt, Bäume entwurzelt und Reisfelder unter Wasser gesetzt. Der Bauer Francisco Santo Domingo verlor wie viele tausend andere seine gesamte Ernte und ist verzweifelt, weil er sich nun an die Geldverleiher wenden muß, um das Überleben seiner Familie zu sichern und sich eine neue Existenz aufzubauen. Für die "Geldhaie" sei der Typhoon der "Jackpot" gewesen, da sie die Notlage der Bauern ausnutzten und die Zinsen erhöhten, berichtete AFP. [1]

Auf den ersten Blick leuchtet die Geschichte ein: Hier wütet eine Naturgewalt, deren Folgen der Mensch nahezu hilflos ausgeliefert ist. Doch AFP erwähnt mit keinem Wort, daß die Reisbäuerinnen und -bauern der jedes Jahr von 20 tropischen Stürmen heimgesuchten Philippinen sich durchaus wirksame Mittel und Methoden erarbeitet haben, um das Schadensausmaß zumindest deutlich geringer zu halten. Diese Errungenschaften mußten die Bauern allerdings von Anfang an gegen das Interesse der Regierung und ausländischer Agrarkonzerne durchsetzen und müssen es auch heute noch.

Die Rede ist von MASIPAG (Magsasaka at Siyentipiko para sa Pag-unlad ng Agrikultura), einem Netzwerk aus Bauernorganisationen und Wissenschaftlern, das sich auf den traditionellen, organischen Reisanbau besonnen hat und mit anpassungsfähigen Sorten, hohen Erträgen und einer weitgehend selbstbestimmten Produktionsweise zu überzeugen weiß. MASIPAG ist als Gegenbewegung zur Grünen Revolution entstanden, da diese die Bauern in die Verschuldung getrieben hat.

20 Jahre nach Einführung der Grünen Revolution waren auf den Philippinen von ursprünglich rund 4000 Reissorten nur noch fünf übriggeblieben, die auf über 90 Prozent der Reisfelder angebaut wurden. Dieser Entwicklung ist MASIPAG erfolgreich entgegengetreten. "Ernährungssouveränität" ist für seine Mitglieder keine Utopie, sondern Wirklichkeit. Da beim organischen Anbau kaum externe Inputs benötigt werden, also weder Pestizide noch Dünger gekauft werden müssen, verringert sich deutlich die Gefahr der Verschuldung. Kurze Transportwege - lokal produzieren und lokal konsumieren - sind ein weiteres Merkmal dieser Form der landwirtschaftlichen Produktion, die sich nicht nur in dieser Hinsicht als besonders klimafreundlich erweist. Auch die Vermeidung von Kunstdünger in der Landwirtschaft hilft, Energie zu sparen.

In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hat MASIPAG bereits über 1313 traditionelle Reisvarianten, die an die verschiedenartigen geographischen Bedingungen des aus 7100 Inseln bestehenden Staats angepaßt sind, gesammelt und durch ständige Weiterzucht bewahrt. Das Netzwerk ist im ganzen Land vertreten und betreibt 188 Versuchsfarmen, auf denen mindestens jeweils 50 verschiedene Sorten erforscht werden. Abgesehen von Hochertragssorten, die von ihren Erträgen her sogar die agroindustriell erzeugten Saaten übertreffen, wurden verschiedene Reissorten gezüchtet, die entweder längere Dürreperioden oder Überschwemmungen überstehen oder sogar bis zu einem gewissen Grad das Eindringen von Salzwasser vertragen. Auch gegen Pflanzenschädlige sind einige Sorten gewappnet. Seit zwei Jahren hat MASIPAG ein Garantiesystem mit eigenem Logo und Standards etabliert, das von der International Federation of Organic Agriculture Movements (IFOAM) anerkannt ist.

Die genossenschaftlich organisierten Bauernverbände stehen für jedes einzelne Mitglied ein. Wenn jemand aufgrund eines Tropensturms seine Ernte verloren hat, bekommt er Ersatz, so daß auch er, sobald andere von einer Naturkatastrophe getroffen werden, seinerseits aushelfen kann. Das hört sich einfach und vernünftig an, doch es gibt Bestrebungen, diese Produktionsweise abzuschaffen, da mit ihr kaum Profit zu machen ist. Beispielsweise spricht sich MASIPAG vehement gegen die Einfuhr und Verbreitung gentechnisch veränderter Reissorten (wie zum Beispiel den sogenannten Goldenen Reis) aus, da die Gefahr besteht, daß sich dieser auskreuzt und den organischen Anbau schädigt.

MASIPAG strebt nicht nur Ernährungssouveränität an, sondern sorgt auch für regelmäßigen Austausch von Informationen, sowohl von der Wissenschaft in Richtung Bauern als auch umgekehrt von den Bauern zur Wissenschaft. Darüber berichtete im vergangenen Jahr Elizabeth Cruzada, die zwischen 2003 und 2007 Nationale MASIPAG-Koordinatorin war, in Berlin. [3]

Der organische Anbau allein könne das 100-Millionen-Volk nicht ernähren, behaupten Vertreter der Wirtschaft und Regierung. Irrtum!, halten Rodelio B. Carating und Silvino Q. Tejada dagegen. Die beiden philippinischen Wissenschaftler schreiben, daß der organische Landbau auf bestem Weg sei zu beweisen, daß es geht. Hybrid- und gentechnisch veränderte Saaten und Agrochemikalien seien zur Ernährungssicherung nicht notwendig. [4]

Politische Restriktionen verhindern, daß sich die erprobten MASIPAG-Produktionsweisen noch weiter verbreiten, läßt sich die Einschätzung Stefanie Glotzbachs von der Universität Lüneburg zusammenfassen. [5] Zu ergänzen wäre: Auch Medien wie die Nachrichtenagentur AFP tragen durch ihre selektive Berichterstattung dazu bei, daß das Erfolgsmodell MASIPAG keine noch größere Verbreitung findet.

IRRI, das in den Philippinen ansässige International Rice Research Institute, rechnet damit, daß mit jedem Grad Celsius, um das die Durchschnittstemperatur steigt, die Erträge um zehn Prozent geringer ausfallen. Darauf stellt sich MASIPAG ein. In einer Analyse zum Problem des Klimawandels heißt es: "Zunehmende Diversität, verstärkte Getreidetoleranz, bessere Bodenfruchtbarkeit, ein aktives Züchtungsprogramm und starke soziale Mechanismen zusammengenommen bewirken, daß MASIPAG-Bauern fähiger sind, auf Klimastreß zu reagieren. Die Absage an den Gebrauch von Pestiziden, gutes Boden- und Wassermanagement sowie die Betonung lokaler Märkte und hofeigener Inputs verringern den Klimaeinfluß auf die nachhaltige Landwirtschaft." [6]

Wenn in der Klimaforschung empfohlen wird, die Resilienz der Menschen zu stärken, so ist damit genau das gemeint, was die Bäuerinnen und Bauern auf den Philippinen, die Kooperativen bilden und organischen Landbau betreiben, bereits verwirklichen. Einen Nachteil hat MASIPAG allerdings, und mancher könnte ihn als gravierend ansehen: Die Geldhaie müssen sich nach einem anderen Job umschauen, sie werden nicht mehr gebraucht ...


Fußnoten:

[1] http://www.seeddaily.com/reports/Farmers_lose_debt_gamble_in_typhoon-plagued_Philippines_999.html

[2] http://masipag.org/programs/

[3] http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umrb0086.html

[4] http://www.afaci.org/file/anboard2/2012%20philippines%20doc%20gwangju.pdf

[5] http://hdl.handle.net/10419/57149

[6] http://masipag.org/wp-content/uploads/2013/05/Chapter-8-Outlook-on-climate-change.pdf

27. Oktober 2015


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