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KLIMA/615: Weltmeere verlieren an Sauerstoff (SB)


Einfluß des Menschen übersteigt den der natürlichen Klimavariabilität


Je höher die Temperaturen in den Weltmeeren, desto weniger Sauerstoff vermag das Wasser zu binden. Das ist bekannt, damit war also auch zu rechnen, nachdem die globale Durchschnittstemperatur zugenommen hat. Doch nun hat eine internationale Forschergruppe herausgefunden, daß die Sauerstoffverluste dreimal so groß sind, wie aufgrund des Temperaturanstiegs der Meere zu erwarten gewesen wäre. Daß die Beobachtung auf eine natürliche Klimavariabilität zurückgeht, halten die Forscher für unwahrscheinlich. Statt dessen vermuten sie, daß sich die Ozeanzirkulation verändert hat und/oder biochemische Prozesse entscheidende Faktoren für die Veränderung des Sauerstoffgehalts sind. [1]

Diese Effekte gehen allerdings ebenfalls auf die Erwärmung der Meere in Folge des Klimawandels zurück, was bedeutet, daß kleine Veränderungen offenbar größere Wirkungen zeigen, als die Forschung es ihnen bislang zugeschrieben hat.

"Der Sauerstoff in den Ozeanen hat dynamische Eigenschaften, seine Konzentration kann mit der natürlichen Klimavariabilität schwanken", sagte Forschungsleiter Taka Ito, assoziierter Professor der Georgia Tech's School of Earth and Atmospheric Sciences laut einer Pressemitteilung seines Instituts. "Der entscheidende Aspekt unseres Ergebnisses lautet, daß die Geschwindigkeit des globalen Sauerstoffverlustes anscheinend das Niveau der zufälligen Variabilität der Natur übersteigt." [2]

Es sei einmal dahingestellt, ob die Bezeichnung "zufällig" in der obigen Aussage nicht eine freundliche Umschreibung des Umstands ist, daß die Wissenschaft (noch?) nicht verstanden hat, wie die als "natürlich" bezeichnete Klimavariabilität zustande kommt. Bemerkenswert ist jedoch, daß hier von einem Effekt berichtet wird, den die Forschung nicht mehr mit natürlichen Schwankungen erklären kann. Das heißt, die Ozeane sind einer generellen Veränderung unterworfen, und da spielen verschiedene Faktoren hinein, die sich teilweise sogar verstärken können. Die aktuelle Studie bestätigt damit eine umfassende Untersuchung zum Sauerstoffgehalt, die am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel durchgeführt und im vergangenen Jahr veröffentlicht worden war. [3]

Sauerstoff kann aus der obersten Meeresschicht an die Atmosphäre abgegeben werden - Weltmeere sind noch vor den Wäldern die wichtigste Quelle für die Freisetzung des lebenswichtigen Sauerstoffs. Dennoch nimmt das Meer auch Sauerstoff aus der Luft auf. Der eigentliche "Produzent" des Sauerstoffs ist pflanzliches Plankton innerhalb des lichtdurchfluteten Bereichs der Meere. Dank der Meeresströmungen findet eine regelmäßige Umwälzung und vertikale Durchmischung des Wassers statt. Allerdings bewirkt der Klimawandel, daß sich insbesondere die oberste Meeresschicht stärker erwärmt. Damit sinkt die Durchmischungsrate. Man rechnet damit, daß die Schichtung der Meere stabiler wird, je mehr sich die Erde aufheizt.

Einen vergleichbaren Effekt haben die Schmelzwässer in der Arktis und Antarktis. Sie sind leichter als das salzhaltigere Meerwasser und legen sich als Deckschicht darüber. Auch dadurch wird die Durchmischung verringert - zumindest in den polaren Breiten.

Das Forschungsteam, zu dem abgesehen vom Georgia Institute of Technology auch das National Center for Atmospheric Research, die University of Washington-Seattle und die Hokkaido University in Japan gehören, stellte bei einer Auswertung von Daten aus dem Zeitraum von 1958 bis 2015 fest, daß über die jährlichen Fluktuationen hinaus die generellen Sauerstoffverluste in den Tropen, an den Osträndern der Tiefseebecken und im subpolaren Nordpazifik besonders hoch waren. Und zwar traten diese Effekte sehr deutlich ab Mitte des vergangenen Jahrzehnts auf.

Im Jahr 2016 hatte Ito gemeinsam mit einer anderen Forschergruppe berichtet, daß der relativ niedrige Sauerstoffgehalt im tropischen Pazifik mit der starken Luftverschmutzung in Ostasien zusammenhängt. [4] Außerdem haben in den letzten Jahren die sogenannten Sauerstofflöcher in den Meeren an Größe, Beständigkeit und Häufigkeit zugenommen. Dies ist in die aktuelle Untersuchung der Forschungsgruppe eingeflossen. Obschon sich die Autoren um eine übergreifende Sicht bemühen, bleibt ihr Blick auf Veränderungen in den Ozeanen beschränkt. In der Atmosphäre und auf der Landfläche sind ebenfalls globale Prozesse angelaufen, die mit den Veränderungen im Meer auf eine Weise wechselwirken können, die sich womöglich nur partiell berechnen läßt, wie das Beispiel Luftverschmutzung in Ostasien zeigt.

Die erdgeschichtlich einmalige Geschwindigkeit, mit der zur Zeit in Folge der Ausbreitung des Menschen Tier- und Pflanzenarten aussterben, gilt auch für die Bewohner der Meere. Schon heute können in den sauerstoffarmen oder gar -freien toten Zonen der Meere weder Fische noch andere Tiere leben. Sollte sich der beobachtete Trend des allgemeinen Sauerstoffverlustes global verstärken, käme auf die Fischarten eine weitere Belastung hinzu. In Folge dessen wäre die Hauptnahrungsquelle für Millionen Menschen gefährdet.


Fußnoten:

[1] Takamitsu Ito, Shoshiro Minobe, Matthew C. Long und Curtis Deutsch: "Upper Ocean O2 trends: 1958-2015", Geophysical Research Letters, April 2017.

[2] http://www.rh.gatech.edu/news/591290/decades-data-worlds-oceans-reveal-troubling-oxygen-decline

[3] http://schattenblick.de/infopool/umwelt/redakt/umkl-609.html

[4] http://www.news.gatech.edu/2016/05/16/polluted-dust-can-impact-ocean-life-thousands-miles-away-study-says

9. Mai 2017


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