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FORSCHUNG/400: Batterie entsalzt Meerwasser (RUBIN)


RUBIN - Wissenschaftsmagazin, Frühjahr 2012 - Ruhr-Universität Bochum

Batterie entsalzt Meerwasser

Neues Konzept weckt Hoffnungen auf energieeffizientere Trinkwassergewinnung

© Ruhr-Universität Bochum

Abb. 1: Mit einer Spritze befüllt Dr. Fabio La Mantia die Entsalzungszelle mit 0,2 Milliliter Salzwasser. Die Spitze der Kanüle ist mit Teflon isoliert, damit die beiden Elektroden der Zelle durch den Kontakt zur Kanüle nicht kurzgeschlossen werden können.
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Schon heute ist Trinkwasser mancherorts Mangelware. Schätzungen zufolge werden Menschen im Jahr 2025 rund 90 Prozent des verfügbaren Trinkwassers verbrauchen - es müssen also neue Quellen aufgetan werden. Meerwasser steht in riesigen Mengen zur Verfügung. Seine Aufbereitung verschlingt allerdings sehr viel Energie. Wesentlich mehr als theoretisch nötig wäre. RUB-Chemiker entwickeln ein neues Verfahren, das mehr Energieeffizienz verspricht.


"Um einen Kubikmeter Meerwasser zu entsalzen, braucht man in jedem Fall mindestens 0,6 bis 0,7 Kilowattstunden Energie", erklärt Dr. Fabio La Mantia, Leiter der Nachwuchsgruppe "Semiconductor and Energy Conversion" am Zentrum für Elektrochemie der RUB. "Aktuell werden aber mit dem gängigen Verfahren der Umkehrosmose rund vier Kilowattstunden verbraucht." Die Hälfte davon fließt schon vor der eigentlichen Entsalzung in die Reinigung des Meerwassers - Biomasse und Bakterien müssen entfernt werden, weil sie sonst die Anlagen beschädigen können. Die andere Hälfte der Energie wird vor allem für Pumpen benötigt. Sie pressen das Meerwasser mit hohem Druck durch eine teils durchlässige (semipermeable) Membran. Diese wirkt wie ein Filter und lässt nur bestimmte Ionen und Moleküle durch. Salz bleibt dabei außen vor.

La Mantia und seine Kollegen haben nun ein ganz neues Verfahren zur Meerwasserentsalzung getestet, das ohne Membranen und möglicherweise auch ohne vorherige Reinigung des Wassers auskommt. Sie arbeiten mit dem Batterieprinzip. Das Salzwasser wird in einer Art Batteriezelle in Kontakt mit zwei Elektroden gebracht (Abb. 1). Die eine enthält Silbermikropartikel, die andere Natrium-Mangan-OxidNanostäbchen. Beim Anlegen einer Spannung zieht die Silberelektrode negativ geladene Chlorid-Ionen an und "fängt" sie aus dem Wasser heraus, indem sie sie chemisch bindet, die andere Elektrode positiv geladene Natrium-Ionen (s. Abb. 2). Das Salzwasser wird dadurch ärmer an Kochsalz (Natrium-Chlorid, NaCl).

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Abb. 2: Die Batteriezelle besteht aus einer Elektrode aus Natrium-Mangan-Oxid-Nanostäbchen (NMO) und einer Elektrode aus Silber (Ag). Beim Anlegen einer Spannung zieht die NMO-Elektrode positiv geladene Natrium-Ionen (Na+), die Silberelektrode negativ geladene Chlorid-Ionen (Cl-) an. Danach wird das salzärmere Wasser gegen frisches Meerwasser getauscht, die Spannung wird umgekehrt. Die Elektroden geben Natriumund Chlorid-Ionen wieder ab. Das mit dem Salz angereicherte Wasser wird abgelassen, die Zelle ist für den nächsten Entsalzungsdurchgang bereit.
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Nach diesem Verfahrensschritt wird das nun salzärmere Wasser aus der Zelle entnommen und diese wieder mit Meerwasser gefüllt. Bei umgekehrter Spannung geben die Elektroden die Chlorid- und die Natrium-Ionen wieder an das Wasser ab. Bei diesem Vorgang wird sogar in geringem Maße Energie frei. Das Meerwasser, nun mit höherem Salzgehalt, wird abgelassen, die Zelle ist für einen neuen Durchgang zur Entsalzung bereit.

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Abb. 3: Die Batteriezelle ist 3,5 x 2 x 2 Zentimeter klein. Die Fläche der Elektroden beträgt je 2 Quadratzentimeter. Die Elektroden sind 300 Mikrometer dünn. 0,2 Milliliter Meerwasser werden darin entsalzt.
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Auf diese Weise konnten die Forscher im Labormaßstab erste Erfolge verzeichnen: Ihre Batteriezelle, die 0,2 Milliliter Salzwasser fasst und über zwei Quadratzentimeter Elektrodenfläche verfügt (s. Abb. 3), konnte binnen einer Stunde den Salzgehalt des Wassers um etwa die Hälfte senken (Abb. 4). "Hochgerechnet heißt das, dass wir einen Liter Wasser pro Quadratmeter und Stunde in diesem Maß entsalzen können", rechnet Dr. La Mantia vor.

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Abb. 4: Bei 25 Prozent der maximalen Stromspannung entzieht die Batterie dem Wasser 87 Prozent der theoretisch dabei möglichen Menge an Chlorid-Ionen (theoretisch mögliche Menge nicht in der Tabelle angegeben), bei 50 Prozent der maximalen Spannung 76 Prozent - das entspricht einer Gesamteffizienz des Verfahrens von rund 50 bzw. 40 Prozent. Höhere Spannungen kann man nicht anlegen, weil dann die Elektrolyse einsetzt. Neben Natrium- und Chlorid-Ionen werden dem Wasser auch andere Ionen entzogen, allerdings in wesentlich geringerem Maße.
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Trinkbar ist das Wasser danach allerdings noch nicht. Um aus Meerwasser Trinkwasser zu machen, müsste man 98 Prozent des enthaltenen Salzes entfernen. Das ginge mit der Batteriezelle zwar in mehreren Schritten - kostet dann aber wieder mehr Zeit und Energie. La Mantia setzt daher auf die Weiterentwicklung des Verfahrens, vor allem auf neue Materialien für die Elektroden.

Zurzeit bringen die Forscher Silbermikropartikel mit zwei Mikrometern Durchmesser bzw. Natrium-Mangan-Oxid-Nanostäbchen mithilfe eines Bindemittels auf ein Kohlenstofffasergewebe auf (s. Abb. 5). "Wir nutzen die Partikel und Stäbchen anstelle glatter Oberflächen, um die Oberfläche der Elektroden zu vergrößern", erklärt der Chemiker. "Dadurch werden die Ionen aus dem Wasser schneller gebunden." Allzu groß darf die Oberfläche allerdings auch nicht werden: Dann werden zwar die Ionen schneller "eingefangen", aber es setzt auch schneller eine Elektrolyse ein, das heißt, das Wasser wird an den Elektroden in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt, was natürlich bei der Entsalzung nicht wünschenswert ist.

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Abb. 5: Natrium-Mangan-Oxid-Nanostäbchen unter dem Elektronenmikroskop. Um sie herzustellen, lösen die Forscher Natrium und Mangan in Wasser und saugen die Lösung mit Watte auf. Diese wird getrocknet und verbrannt. Zurück bleiben Natrium-Mangan-Oxid-Nanostäbchen als Pulver. Diese werden mit einem Bindemittel auf ein Kohlenstofffasergewebe aufgebracht.
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"Silber ist aber trotzdem sehr langsam beim Ionenfang", sagt Dr. La Mantia. Die andere Elektrode ist zwar schneller als Silber, doch auch hier gibt es noch Spielraum. Die Forscher machen sich also auf die Suche nach neuen Materialien, die effizienter Ionen anziehen, dennoch nicht allzu früh zur Elektrolyse führen und natürlich nicht gesundheitsschädlich sein dürfen. Die Materialien sollen außerdem möglichst selektiv für Natrium- und Chlorid-Ionen sein und dem Wasser nicht noch viele weitere Stoffe entziehen, die im Trinkwasser nützlich sind, wie etwa Magnesium und Kalzium. Bei der Umkehrosmose, die das Wasser von diesen wichtigen Mineralstoffen ebenso wie vom Salz befreit, müssen sie dem Trinkwasser später wieder zugesetzt werden. Mit den richtigen Elektrodenmaterialien könnte man sich diesen Schritt ersparen. Passende Materialien sucht die Arbeitsgruppe im Umfeld der Stoffe, die in modernen Lithium-Ionen-Batterien eingesetzt werden.

"Verglichen mit der Umkehrosmose, die es schon seit rund 40 Jahren gibt, ist unser Verfahren noch sehr neu. Die Umkehrosmose ist wissenschaftlich ausgereizt, da wird es wahrscheinlich keine großen Verbesserungen mehr geben. Unser Verfahren wird noch sehr viel weiter entwickelt werden, sodass wir auf jeden Fall noch große Verbesserungen erreichen können", ist er zuversichtlich. Auch die Energieeffizienz will der Forscher so steigern, sie ist mit rund 33 Prozent zurzeit noch schlechter als die der Umkehrosmose (rund 50 Prozent).

Würde es gelingen, das Meerwasser um 80 Prozent seines Salzgehalts zu "erleichtern", könnte man auch an eine Kombination mit der Umkehrosmose denken. Sie würde - dann mit wesentlich weniger Energieaufwand als heute - dem Wasser den letzten Rest des unerwünschten Salzes entziehen.

Die Forscher hoffen, dass für das Batterieverfahren keine vorherige Reinigung des Meerwassers von Biomasse mehr notwendig ist. Das würde große Energieeinsparungen bedeuten. Genau wissen sie das aber noch nicht, da im Labor bislang nur kurze Versuche, aber keine Langzeittests durchgeführt wurden. Auf jeden Fall wäre das Verfahren, für das sie im Labor kleinste Mengen Wasser per Hand mit einer Spritze in die Batteriezelle füllen und es ebenso wieder entnehmen, auch automatisierbar. "Man könnte sich das Ganze als lange, gewundene Röhre vorstellen, durch die das Meerwasser strömt und dabei entsalzt wird", so die Vision von Dr. La Mantia.    md

Den Artikel mit Bildern finden Sie im Internet im PDF-Format unter:
http://www.ruhr-uni-bochum.de/rubin/rubin-fruehjahr-2012/pdf/beitrag10.pdf

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Quelle:
RUBIN - Wissenschaftsmagazin, Frühjahr 2012, S. 54-57
Herausgeber: Rektorat der Ruhr-Universität Bochum
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juni 2012