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BERICHT/094: Städteporträt - Fulda, historische Stadt mit glanzvoller Tradition (Gerhard Feldbauer)


Fulda - Historische Stadt mit glanzvoller Tradition

Von Gerhard Feldbauer, 29. Januar 2012


Etwa 100 km nordöstlich von Frankfurt am Main liegt im Becken zwischen der Rhön und Europas größtem Basaltmassiv, dem Vogelsberg, das traditionsreiche Fulda. Die historische Ansiedlung mit ihrer Vielzahl architektonischer Sehenswürdigkeiten, besonders aus der Zeit des Spätbarocks, erhielt 1157 das Stadtrecht. Ab 1170 hatten hier Äbte ihren Sitz, nach einem 1220 erlassenen Gesetz Kaiser Friedrichs II. waren sie gleichzeitig Reichsfürsten (Fürstäbte).

Die Geschichte der Stadt reicht indessen weiter zurück. 744 gründete hier der Benediktinermönch Sturmius im Auftrag des Bonifatius auf dem Ruinenfeld einer verlassenen fränkisch-merowingischen Anlage ein Kloster. An Bonifatius, den Wohltäter genannten Heiligen, erinnert ein Denkmal vor dem Stadtschloss. Der um 672 geborene angelsächsische Missionar, der eigentlich Wynfrith (Winfrid) hieß, starb als "Apostel der Deutschen" in den Auseinandersetzungen um die Heidenbekehrung am 5. Juni 754 bei Dokkum in Friesland den Märtyrertod.


Bonifatius verhalf Rom zu Macht und Einfluss

Bonifatius und mit ihm Fulda bildete in dieser Zeit einen zentralen Bezugspunkt des Frankenreiches, das im Ergebnis des Unterganges des Weströmischen Reiches nach dem Sieg der Franken unter dem Merowingerkönig Chlodwig 486 bei Soisson über den letzten römischen Machthaber in Gallien, Syagrius entstand. Mit wechselndem Erfolg kämpften sowohl die Könige und Kaiser als auch die Päpste darum, das im 8. Jahrhundert vom Atlantik bis zur Elbe, von den friesischen Inseln bis weit hinter Rom sich ausdehnende Imperium zu beherrschen. Der Einfluss des Heiligen Stuhls auf das Frankenreich, dessen Kirche sich der Leitung durch Rom entzog, war indessen zu Beginn des 8. Jahrhunderts gering. Nördlich der Alpen konnte der Papst von sich aus keinen Bischof, noch nicht einmal einen Priester ernennen. Es war Bonifatius, der im Rahmen der Christianisierung die Unterordnung der fränkischen Kirche unter Rom durchsetzte. Seit 718 predigte er in Friesland, Thüringen, Hessen und Bayern das Christentum. Sein missionarischer Eifer, sein historischer Weitblick, aber auch sein großes organisatorisches Talent, ließen ihn frühzeitig zum wichtigsten Vertrauten des Heiligen Stuhls bei der Festigung der Papstherrschaft nördlich der Alpen werden. Bonifatius unternahm drei Reisen nach Rom, wo er 722 zum Bischof und 10 Jahre später zum Erzbischof geweiht wurde. 738 ernannte ihn Gregor III. zum Legaten für Germanien. Bereits vorher war ihm der Name des römischen Märtyrers Bonifatius verliehen worden, um ihn der Kirche zu verpflichten.


Die Kirche wurde Stütze der Feudalherrschaft

Im Ergebnis des Wirkens des Bonifatius wurde die christliche Religion neben dem Lehnswesen zur vor allem ideologischen Stütze der Herrscher des Frankenreiches, zum Band, das den Vielvölkerstaat zusammenhielt. Leopold von Ranke nannte das ein Erfordernis der "historischen Wirksamkeit". Die Kirche wurde so zum Bestandteil des feudalen Überbaus und verlieh der Feudalgesellschaft den Charakter einer von Gott gewollten und unveränderlichen Ordnung. Wer gegen die weltliche Herrschaft auftrat, war gegen Gott.

Zum Dank für die außerordentlichen Dienste des Bonifatius erklärte Papst Zacharias das Kloster Fulda 751 durch ein Exemptionsprivileg von jeder bischöflichen Jurisdiktion unabhängig und unterstellte es für alle Zeiten ausschließlich der päpstlichen Gerichtsbarkeit. Das gilt auch heute noch.


Eine Wiege althochdeutscher Literatur

In der Erlöserkirche des Fuldaer Klosters fand Bonifatius seine letzte Ruhe. In den folgenden Jahrhunderten wallfahrten die Gläubigen zu seiner Grabstätte. Durch Spenden der Frommen erlangte das Kloster Reichtum und Macht. Im 9. Jh. entwickelte sich die Klosterschule unter Hrabanus Maurus (Abt von 822-842), eines hervorragenden Gelehrten und Poeten, der u. a. ein lateinisch-deutsches Glossar verfasste, zu einer bedeutenden Lehrstätte. Hier hatte nicht nur die althochdeutsche Literatur ihre Wiege, sondern es bildete sich auch Deutsch zur Schriftsprache heraus. Der 847 zum Erzbischof geweihte Hrabanus ging in die Geschichte als "Praeceptor Germaniae" (Lehrer der Deutschen) ein.

Bereits 819 hatte der Erzbischof von Mainz der Ratgar-Basilika den Segen erteilt. Diese größte karolingische Kirche nördlich der Alpen entstand an der Stelle der ersten Grabeskirche des Bonifatius. Ihre Ausmaße sollen mit späteren Anbauten die Größe des heutigen Doms übertroffen haben. An die Frühzeit Fuldas erinnern auch die nach dem Vorbild der Grabkirche von Jerusalem von 820 bis 822 erbaute Michaeliskirche, eines der ältesten Gotteshäuser Deutschlands, und die spätgotische Severinkirche.

Zahlreiche hohe geistliche und weltliche Fürsten weilten in jener Zeit in Fulda: Ihre Listen führen Karl der Große, Papst Benedikt VIII., der 1020 das Grab des heiligen Bonifatius besuchte, und Kaiser Heinrich II. an. Letzterer hatte bereits ein Jahr zuvor Fulda das Münz-, Markt- und Zollrecht verliehen.


Berühmte Bauten des Barock

Viele Jahrhunderte danach brachten Kriege und Katastrophen über die Stadt am Quellfluss der Weser, nach dem sie benannt ist, unsägliches Leid, hemmten ihre historisch-kulturelle Entwicklung. Eine glanzvolle Zeit erlebte Fulda dann während des Barocks. Berühmte Baumeister schufen von Beginn des 18. Jh. an in nur 50 Jahren das Barockviertel, das in seiner Harmonie und Geschlossenheit als einzigartig gilt. Johann Dientzenhofer aus der Familie der Barock-Architekten baute zwischen 1706 und 1721 das Stadtschloss, ein früheres Renaissanceschloss, um und aus. Sein Werk ist auch der Dom der Stadt, der zwischen 1704 und 1712 auf den Grundmauern der gewaltigen Ratgar-Basilika errichtet wurde. Die Krypta bürgt heute das Grabmal des Bonifatius. Ein mit schwarzem Marmor umgebenes Alabasterbild der Barockzeit zeigt seinen Märtyrertod.

Hervorzuheben sind aus der Vielzahl der Bauwerke die Orangerie mit ihren zauberhaften Sälen, die zwischen 1722 und 1725 nach Entwürfen des kurmainzischen Baumeisters Maximilian von Welsch entstand; die Heiliggeist- und die Stadtpfarrkirche; die Landesbibliothek und die ehemalige Universität (1734-1803). Zu den Kostbarkeiten der Landesbibliothek zählen eine Gutenbergbibel und die Welfenchronik.

Den interessierten Besucher wird es vor die Tore der Stadt zu einem der schönsten Barockschlösser Hessens, der Fasanerie, ziehen. Auf dem Petersberg (350 m ü. d. M.) ruhen in der Krypta der zum Benediktiner-Kloster gehörenden Kirche die Gebeine der 782 verstorbenen heiligen Lioba, Äbtissin von Tauberbischofsheim und Mitstreiterin des Bonifatius. Die Wandfresken des Klosters gehören zu den ältesten Deutschlands.

Noch einmal zurück zur Geschichte. Nach dem Ende der Säkularisation 1802 fiel Fulda zunächst an das Haus Nassau-Oranien, vier Jahre später an das Großherzogtum Frankfurt. Danach wechselte es für kurze Zeit zu Österreich und Preußen, kam dann zum Kurfürstentum Hessen-Kassel und fiel 1816 wieder an Preußen.


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Quelle:
© 2012 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Januar 2012