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BERICHT/099: Damals in Laos - Fahrten in befreite Gebiete 1968-1970 - 1. Teil (Irene und Gerhard Feldbauer)


Damals in Laos
Erinnerungen an unsere Fahrten in die befreiten Gebiete von Laos (1968-1970)

Einleitung und Teil 1: In den Höhlen von Sam Neua [1]

von Irene und Gerhard Feldbauer, Mai 2020



Foto: Matthew Summerton / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) via Wikimedia Commons

Die Region Vieng Xai, früher Hauptsitz der laotischen Befreiungsbewegung Pathet Lao, im heutigen Laos
Foto: Matthew Summerton / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) via Wikimedia Commons


Zur Einleitung

In den Prospekten der Reisebüros über Laos stellen Ausflüge in die nordöstliche Provinz Hua Phan heute einen Hit dar. Nicht nur, weil es, wie hervorgehoben wird, eine vom Tourismus noch ziemlich unberührte Region ist, sondern auch, weil dort die Provinzhauptstadt Sam Neua, das Zentrum des nationalen Befreiungskampfes gegen die USA und ihre Marionettenregimes in Vientiane, war. Neben Buslinien starten in die Stadt im Tal des gleichnamigen Flusses, wenn auch nicht regelmäßig, Flieger und landen auf dem drei Kilometer von der Stadt entfernt liegenden Flugplatz.

Zum Programm der Sightseeing-Tours gehört auch ein Hügel am nord-westlichen Stadtrand, auf dem ein Denkmal an den Freiheitskampf erinnert. Höhepunkt ist jedoch ein Besuch im etwa 30 Kilometer entfernten Vieng Xai, das Hauptsitz der laotischen Befreiungs- und Widerstandsbewegung Pathet Lao war. Denn hier befindet sich das berühmte Höhlensystem, in dem damals die Menschen vor den Luftangriffen der US Air Force Schutz suchten und wo sich nicht nur das Kommando der Befreiungsarmee befand, sondern in Wohnstätten, Betrieben, Krankenhäusern, Bibliotheken und Schulen ein pulsierendes Leben herrschte.

Laos war die zweite Front der USA im Krieg gegen Vietnam. Wir waren während unserer Arbeit als Korrespondenten für den Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienst (ADN) von 1967 bis 1970 dreimal in den von der Laotischen Befreiungsfront Neo Lao Haksat befreiten Gebieten von Laos. Die zahlreichen Berichte und Reportagen darüber haben wir in unserem Buch "Sieg in Saigon - Erinnerungen an Vietnam" (2. Auflage, Pahl Rugenstein 2005) in einem Kapitel "An der Laos-Front" zusammengefasst. [2] Freunde meinten, das könnte für heutige Reisende nach Laos von Interesse sein und regten an, das zu veröffentlichen. Gern kommen wir dem nach und bedanken uns, dass der "Schattenblick" dafür seine Spalten zur Verfügung stellt.


Foto: © by Irene Feldbauer

Die ADN-Auslandskorrespondenten Irene und Gerhard Feldbauer während ihres Einsatzes in Laos mit Kämpfern der Volksbefreiungsarmee
Foto: © by Irene Feldbauer


Erster Teil: In den Höhlen von Sam Neua

Wir saßen auf niedrigen Bambushockern an einem Tisch vor einer der Höhlen in Sam Neua, dem Sitz der Neo Lao Haksat (NLH). Es war ein lauer Julitag des Jahres 1970. Wir weilten zum dritten Mal in den Gebieten der Pathet Lao, des Freien Laos. Hinter dem Rücken der Berge verschwand die Sonne als ein glutroter Ball im Westen. In den weit in den Himmel ragenden Wipfeln der Bäume säuselte ein leichter Wind.


Die "rote Prinzessin"

Eine junge Laotin kam die Holztreppe zu unserer Grotte herauf. Zu dem mit buntbestickten Borten besetzten Trachtenrock, der bis über die Knie reichte, trug sie eine helle khakifarbene Bluse. Wir begegneten Nhotkeomany, Redakteurin für Außenpolitik der Khaosan Pathet Lao, der Nachrichtenagentur "Freies Laos", die gekommen war, uns vom Leben in den befreiten Gebieten zu erzählen, vom Kampf ihres Volkes gegen die amerikanischen Aggressoren und ihre einheimischen Helfershelfer. Wir hatten sie bei einem Besuch in den Redaktionsräumen kennen gelernt und erfahren, dass sie das Institut für Internationale Beziehungen in Moskau besucht hatte, neben Französisch ausgezeichnet Russisch sowie Englisch sprach und die Nachrichten von AFP, UPI, AP und TASS auswertete.


Foto: Christopher Voitus / CC BY-SA (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/) via Wikimedia Commons

Eingang zu der Höhle in Vieng Xai, in der Prinz Souphanouvong während des Krieges lebte
Foto: Christopher Voitus / CC BY-SA (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/) via Wikimedia Commons

Sie war die Tochter Prinz Souphanouvongs, des Präsidenten der NLH und Führers des Befreiungskampfes. Er stellte sich 1945 an die Spitze der laotischen Revolution. Unter seinem Kommando verteidigten die nationalen Streitkräfte im März 1946 bei Thakhek in Süd-Laos die letzten Stellungen des freien Laos. Von der Übermacht der französischen Kolonialtruppen wurden sie geschlagen, der Prinz schwer verwundet. Die Kampfgefährten brachten ihn nach Thailand.

Nhotkeomany stammte in direkter Linie vom laotischen Königshaus Anourouth in Luang Prabang ab. Scherzhaft nannten sie ihre Freundinnen die "rote Prinzessin". Sie wurde 1946 geboren. Nach der Befreiung Nordvietnams besuchte sie in Hanoi die Oberschule. König Savang Vatthana, der als ein liberaler Politiker mit wenig Neigungen für die Amerikaner galt, hätte die Prinzessin nach dem Studium gern in Luang Prabang begrüßt. Sie hätte ganz nach ihren Neigungen leben können. Sprachen, Kunst oder Literatur. Dazwischen Zerstreuung und Kurzweil. Wochenenden in Hawai, Hongkong oder Singapur und Urlaub an der Côte d'Azur.


Foto: © by Irene Feldbauer

In der Redaktion der Neo Lao Haksat mit dem Team der "roten Prinzessin" Nhotkeomany (links), neben ihr Irene Feldbauer
Foto: © by Irene Feldbauer

Nhotkeomany aber kehrte zu ihrem Vater nach Sam Neua zurück, um an seiner Seite zu kämpfen. Der Kurzweil am Königshof zog sie das harte und entbehrungsreiche Leben in den Felsenhöhlen vor, ein Leben unter der täglichen Todesdrohung amerikanischer Bomben. Wir fragten, was sie veranlasste, diesen Weg zu gehen. Ihr hübsches Gesicht, das so charmant lächeln konnte, wurde ernst, als sie antwortete: "Wer ein Gewissen hat und das Vaterland liebt, kann nicht abseits stehen, wenn das Volk gegen die Eindringlinge kämpft. Das Vorbild meines Vaters, der Kampf der Patrioten unseres Landes und das Studium im Lande Lenins haben mir diese Erkenntnisse vermittelt. Unser Kampf kann noch lange dauern, aber am Ende wird unser Sieg stehen. Das Rad der Geschichte dreht sich vorwärts, auch in Laos."

Zu unseren Aufgaben als Hanoier Korrespondenten gehörte, auch über Laos zu berichten. Dreimal reisten wir dazu für mehrere Wochen in die von der NLH befreiten Gebiete, zweimal weilten wir in Vientiane, der Hauptstadt des amerikanisch beherrschten Teils des Landes. Der Sitz der Befreiungsfront befand sich in Sam Neua im nordöstlichen Berggebiet. Journalisten aus vielen Ländern, die damals dort weilten, um über den Befreiungskampf des laotischen Volkes zu berichten, hatten es die Höhlenstadt getauft. Sam Neua lag in einem sich kilometerlang hinziehenden Tal, das von steil aufragenden Felsmassiven umgeben war. Hier wie in der gesamten nordlaotischen Bergregion gab es Tausende Felsengrotten. Größere, die Hunderte Meter in die Berge hineinreichten und saalgroße Ausdehnungen nach den Seiten hatten; kleinere von einigen Dutzend oder nur wenigen Metern Tiefe. Seit 1964 die US-Luftwaffe auch die Pathet Lao-Gebiete angriff, hatten in diesen Höhlen Zehntausende Menschen Zuflucht gesucht. Es gab viele solcher Höhlenstädte.


Fotos: © by Irene Feldbauer Fotos: © by Irene Feldbauer

Bewohner vor ihren in den Höhlen gelegenen "Wohnungen" (l.) - auch das kulturelle Leben kam in der "Höhlenstadt" keineswegs zu kurz (r.)
Fotos: © by Irene Feldbauer

Vor 1964 befanden sich in dem lieblichen Tal zahlreiche Häuser. Die US-Air Force hatte sie alle in Schutt und Asche gelegt. Viele Einwohner, Männer, Frauen und Kinder, hatten in den Trümmern den Tod gefunden. Das Leben in den Felsenhöhlen war hart und entbehrungsreich, besonders in der Regenzeit, wenn die Feuchtigkeit das Wasser von den Decken tropfen ließ. Aber den laotischen Patrioten blieb keine andere Wahl. Die Höhlen in den Bergen boten ihnen nicht nur Unterkünfte, sondern auch besseren Schutz vor den Bomben und Raketen, mit denen die amerikanischen Bomber täglich über sie herfielen.

Sam Neua war das Zentrum des antiamerikanischen Widerstandes. Hier befanden sich die Zentrale der NLH und ihrer zahlreichen Abteilungen, das Oberkommando der Pathet Lao-Streitkräfte, Krankenhäuser, Schulen und Institute, die Wohnstätten der Menschen, Betriebe, Kasernen, sogar die Pagoden der Buddhisten. Die Grotten von Krankenhäusern und wichtigen Instituten waren mit moderner Technik ausgebaut und betoniert, mit elektrischem Licht und sogar Wasserleitungen versehen. Ein weitverzweigtes Netz von Straßen und Fußpfaden verband die einzelnen "Viertel" der Höhlenstadt miteinander. Zu den oft Dutzende Meter hohen Eingängen führten Bambusleitern, waren Treppen in den Fels gehauen oder auch betoniert worden. Diese Höhlenstadt war ein Wunder in der rauen Bergwelt von Laos. Aber kein Wunder der Natur, sondern der Kraft seiner Menschen, des Widerstandes des Volkes, das in die Geschichte eingegangen ist.


Fotos: © by Irene Feldbauer Fotos: © by Irene Feldbauer

Druckereibetrieb in der Höhlenstadt (l.) - In der Redaktion des Senders "Freies Laos" (r.)
Fotos: © by Irene Feldbauer

Von Sam Neua aus fuhren wir in die verschiedenen Regionen, darunter auch in die Ebene der Tonkrüge, wo immer wieder schwere Gefechte stattfanden. Die Begegnung mit der "roten Prinzessin" war eine von vielen, die wir bei jedem Aufenthalt hatten. Wir trafen die führenden Repräsentanten der NLH, Prinz Souphanouvong und ihren Generalsekretär Phongvichit, den Oberbefehlshaber, General Sinkapo, Kemphet Pholsena, die Tochter des von den reaktionären Militärs in Vientiane ermordeten Außenministers der Koalitionsregierung, Quinim Pholsena, Soldaten und Offiziere der Streitkräfte, Ärzte, Lehrer und Schüler, Kollegen der Nachrichtenagentur "Khaosan Pathet Lao" und immer wieder Arbeiter und Bauern.


Foto: Christopher Voitus / CC BY-SA (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/) via Wikimedia Commons

Blick auf Sam Neua, die Hauptstadt der Provinz Hua Phan im heutigen Laos
Foto: Christopher Voitus / CC BY-SA (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/) via Wikimedia Commons


Anmerkungen der SB-Redaktion:

[1] In der Reihe "Damals in Laos - Fahrten in befreite Gebiete 1968-1970" folgen weitere Berichtteile des Journalistenteams Irene und Gerhard Feldbauer:
Teil 2: USA brachen auch Laos-Abkommen
Teil 3: In der Ebene der Tonkrüge
Teil 4: In den Bergen der Meo

[2] Siehe zu diesem Buch die Rezension im Schattenblick unter INFOPOOL → BUCH → SACHBUCH:
REZENSION/343: Irene und Gerhard Feldbauer - Sieg in Saigon (Politik) (SB)

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Quelle:
© 2020 by Irene und Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autorenteams


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Mai 2020

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